Auf der Straße unterwegs, im Netz zu Hause

Der Vringstreff e. V. in der Kölner Südstadt bietet sozial benachteiligten und wohnungslosen Menschen bereits seit 1995 Hilfe und Unterstützung. Es geht dabei um alle Bereiche, die für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von Bedeutung sind. Dazu gehört heute auf jeden Fall auch die die Nutzung digitaler Kanäle.

Drei Personen schauen auf ein Smartphone, das Teil des digitalen Angebots des Vringstreffs ist

Teilhabe statt Ausgrenzung

Die „Digitale Lernwerkstatt“ beginnt in wenigen Minuten. Fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich im Café des Vringstreffs versammelt, jeder ausgestattet mit einem Smartphone oder Tablet, im Blickfeld ein großer Präsentationsbildschirm. Das Thema heute lautet: „Nützliches finden im Internet“. Geleitet wird der Workshop von Florine Calleen. Für Menschen, die kaum Erfahrung in der digitalen Welt und nicht mal eine feste Wohnung haben, ist das ein großer Schritt nach vorn − ein Schritt zu mehr Teilhabe am alltäglichen Leben.

„Wo sonst finde ich Informationen zu günstiger Kleidung, kostenlosen Lebensmitteln oder freien Schlafplätzen?, beschreibt Teilnehmerin Birgit ihren Bedarf. Für die 54-Jährige ohne festen Wohnsitz begann ihr digitales Leben vor einigen Monaten mit dem Einstiegsthema „Ich war noch nie im Internet“. Inzwischen möchte sie auf die neuen Möglichkeiten nicht mehr verzichten, zumal auch immer mehr Behörden viele ihrer Dienstleistungen nur noch online anbieten werden.

Vringstreff e. V.
2020
70.800€

Ein Plus an Lebensqualität

Ob Wohnungssuche oder Wegbeschreibung, der geplante Wiedereinstieg ins Berufsleben oder die erhoffte finanzielle Unterstützung: Für Menschen ohne festen Wohnsitz können simple Informationen von immenser Bedeutung sein. Informationen, wie sie auf einen Blick nur im Internet zu finden sind. Und wenn nebenbei noch ein bisschen Unterhaltung und Zerstreuung dabei herauskommt: umso besser. Denn auch das bedeutet Lebensqualität.

Im Vringstreff erhalten die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer deshalb nicht nur eine praxisorientierte Einführung in die digitale Welt, sondern auch kostenloses WLAN und die notwendigen Geräte.

20 Smartphones und zehn Tablets wurden angeschafft, die allen Gästen kostenfrei zur Verfügung stehen und auch ausgeliehen werden können - natürlich inklusive Tarif mit Telefon-Flatrate und Datenvolumen. Stromladeschließfächer, die per Zahlencode gesichert sind, und zwei Notebooks zur allgemeinen Nutzung runden das digitale Angebot im Vringstreff ab. Während der Öffnungszeiten des Cafés können die Gäste so kostenlos im Internet surfen, ihre E-Mails abrufen, Bewerbungen schreiben und im Netz recherchieren. Auch Kopfhörer werden auf Wunsch ausgegeben.

„Uns geht es um die Teilhabe am modernen Leben. Wer von der digitalen Welt abgeschnitten ist, wird nur noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrückt.“

Sabine Rupp, zuständig für Digitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit im Vringstreff e. V.

Lernen aus der Pandemie

Der wichtigste Motor für das verstärkte digitale Engagement des Vringstreffs war wie in anderen Bereichen auch die Corona-Krise. Denn während des Lockdowns fiel man als Beratungsstelle und Begegnungsstätte praktisch aus. Hilf- und Ratlosigkeit bei den meisten Stammgästen waren die Folge. Und wo anderenorts digitale Angebote zumindest etwas Abhilfe schufen, fiel dieser Effekt beim Vringstreff geringer aus, da sehr viele Menschen ohne festen Wohnsitz nur begrenzt Zugang zu digitalen Medien hatten. Auf der anderen Seite fehlte es dem Vringstreff an der notwendigen Infrastruktur, um individuell sinnvolle digitale Angebote dauerhaft und zuverlässig für seine Gäste anbieten zu können.

Mit Hilfe der SozialstiftungNRW wurden in der Kölner Südstadt die personellen und technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, die Digitalisierung auch für die Menschen voranzutreiben, die kein Zuhause mit eigenem DSL-Anschluss haben. Eines der Highlights ist dabei sicherlich die Website „Wohnungslos in Köln“, die im Look und Feel einer App daherkommt und daher via Smartphone leicht zu bedienen ist. Hier finden Betroffene schnelle Hilfe und vielfältige Angebote auf einen Blick − und das mittlerweile in sechs verschiedenen Sprachen.

Langfristig bestens vernetzt

Als anerkannte Fachberatungsstelle, Begegnungsstätte mit Gastronomie (Café und Mittagstisch) und freier Träger der Wohnungslosenhilfe ist der Vringstreff e. V. seit 1995 in Köln aktiv. Neben dem gastronomischen und digitalen Angebot stehen auch Freizeitaktivitäten und Kulturangebote in den Bereichen Musik, Theater, Literatur und Malerei auf dem Programm. Der Name des Vereins leitet sich übrigens aus der Bezeichnung „Vringsveedel“ für das Kölner Severinsviertel ab.

Der Ausbau der digitalen Angebote des Vringstreffs wurde durch die SozialstiftungNRW mit fast 71.000 Euro gefördert. Die Fördermittel dienen sowohl der Anschaffung von Hardware und digitaler Infrastruktur als auch dem Kompetenzgewinn durch personelle und technische Expertise.