Eine starke Gemeinschaft für Ältere

„Wir bilden eine starke Gemeinschaft“ – so lautet aus dem Lateinischen übersetzt der Satz „Communio firmo prosperamus“. Das ist der Name eines Modellprojekts des klösterlichen Altenheims St. Clara im westfälischen Salzkotten. Hier geht man den Weg der Teilhabe und Zusammengehörigkeit, um alten Menschen bestmögliche Lebensumstände zu bieten.

Ältere Frau und jüngere Frau lächeln sich an, Symbol für Gemeinschaft.

Aktiv gegen die Isolation

Annegret Rother freut sich schon auf das Erdbeerfest, das am nächsten Tag im Innenhof des Altenheims St. Clara in Salzkotten stattfindet. Gemeinsam mit fünf anderen Bewohner/-innen hat sie maßgeblich an dessen Planung mitgewirkt. Georg Schwartz liest ihr gerade aus der Tageszeitung vor, denn Annegret Rothers Sehkraft ist stark eingeschränkt. Seine Mutter ist ebenfalls Bewohnerin des Hauses, aber gerade beim Singen im Chor. Also nutzt er die Zeit anderweitig. Hier in St. Clara ist man stolz auf eine gelebte Gemeinschaft, die der sozialen Isolation entgegenwirkt und nicht zuletzt Resultat eines wegweisenden Modellprojekts ist. 

Fakt ist, dass bei einem Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung für viele Personen die vertraute Gemeinschaft wegbricht. Zugleich fehlt oft die Möglichkeit, neue soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Da das Altenheim St. Clara lange Zeit nur Ordensschwestern aus dem benachbarten Mutterhaus der Franziskanerinnen vorbehalten war, blieben sie weiterhin Teil der Klostergemeinschaft. Mit der Öffnung der Einrichtung für Externe vor über zehn Jahren änderte sich das. Darum nahm man sich des Problems nicht nur mit viel Herz und gutem Willen an, sondern rief mit kompetenter wissenschaftlicher Unterstützung das Projekt „Communio firmo prosperamus“ ins Leben. 

Altenheim St. Clara Salzkotten
SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste im Rhein-Sieg-Kreis e. V.
2018
700.000€

„Wir wollen aufzeigen, dass der Lebensabend in einer stationären Pflegeeinrichtung nicht einsam sein muss. Dafür bedarf es vor allem einer starken sozialen Gemeinschaft, die auf Hilfsbereitschaft, Verständnis und Lebensfreude aufbaut und niemanden allein lässt.“  

Daria Wibbeke, Einrichtungsleitung

Gebündelte Erfahrung und Kompetenz

Beim Modellprojekt der Franziskanerinnen Salzkotten und des Lehrstuhls für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke stand die Entwicklung eines Konzepts im Mittelpunkt, mit dem in stationären Pflegeeinrichtungen das Erleben einer guten Gemeinschaft gefördert werden soll. In den Projektverlauf waren 63 Personen aus der Einrichtung und ihrem Umfeld aktiv beteiligt, das heißt Mitarbeitende, Bewohner/-innen sowie An- und Zugehörige. 

Das Projekt orientierte sich in seinem methodischen Vorgehen an der sogenannten „Theory of Change“. Hierbei arbeitete sich die Arbeitsgruppe in einem gemeinsamen Denkprozess vom langfristigen Ziel rückwärts bis zu den Ausgangsbedingungen vor. Es wurde sich also zuerst gefragt, was der wünschenswerte Zustand für das Gemeinschaftsleben der Einrichtung sei. 

Dann wurden Voraussetzungen für diesen Zustand ermittelt und schlussendlich konkrete Maßnahmen daraus abgeleitet. Zu diesen zählen Aktivitäten wie Feiern und Veranstaltungen, Gesprächsrunden und Workshops, Ausflüge und Spieleabende, aber auch Persönlicheres wie die eigene Gestaltung des Wohnraums, einer Fotowand oder des Speiseplans. 

Dabei konnte die Projektleitung von Anfang an auf die bestehenden Stärken der Einrichtung aufbauen. Neben dem hohen baulichen Standard und der Einbindung ins Gemeinwesen mit vielfältigen Kontakten nach außen zählt dazu eine individuelle, kompetente Pflege ohne Überlastungssymptome bei den Mitarbeiter/-innen. 

Viele Garanten für den Erfolg

Eine umfangreiche Renovierung 2018 schuf ideale räumliche Voraussetzungen für das Projekt „Communio firmo prosperamus“. Es gelang, den Charme des historischen Klostergebäudes zu erhalten und gleichzeitig den Anforderungen einer modernen Altenhilfe sowie des Wohn- und Teilhabegesetzes gerecht zu werden. Das Haus St. Clara verfügt heute über 67 Pflegeplätze in Einzelzimmern. Die bauliche Struktur kommt sowohl dem Bedürfnis nach Rückzug als auch dem nach Gemeinschaft entgegen. Alle Wohnbereiche sind barrierefrei bzw. mit dem Aufzug zu erreichen. Ein großer Garten lädt zu Spaziergängen und zu geselligen Runden und Feiern im Freien ein. Ebenso ist der Innenhof als abgeschlossener Außenbereich nutzbar.

Unabhängig davon zielen die im Projektrahmen erarbeiteten Maßnahmen darauf ab, im Altenheim St. Clara ein Gefühl von Geborgenheit für Bewohner/-innen, Mitarbeiter/-innen und die Angehörigen zu schaffen. Vor allem die Bewohner/-innen sollen Sicherheit, Wohlbefinden und Akzeptanz erfahren, damit sie sich nicht einsam fühlen. Dabei wird niemandem ein Gemeinschaftsgefühl aufgezwängt. Es werden vielmehr individuelle Wünsche nach sozialen Kontakten und deren Intensität berücksichtigt. 

Ein speziell ausgearbeitetes Rückmeldungsmanagement gibt permanent Aufschluss darüber, inwieweit Verbesserungswünsche bestehen. Mitarbeiter/-innen und Angehörige wiederum haben die Möglichkeit, themenspezifische Weiterbildungsangebote wahrzunehmen und selbst mitzugestalten. Für alle Maßnahmen sind im Projekt Checklisten erstellt worden, um im Prozess den Überblick zu behalten. Zusätzlich vertraut man auf ein computergestütztes Monitoring zur Auswertung von Befragungen und Ergebnissen.

Messbarer Erfolg mit laufender Anpassung

Die Angehörigen kennen die Biographien, Vorlieben, Charakterzüge und „persönlichen Wohlfühlorte" in der Regel besser als die Mitarbeitenden der Pflegeeinrichtung. Die Mitwirkung aller an der Pflege Beteiligten ist darum von existenzieller Bedeutung im Projekt „Communio firmo prosperamus“. 

Eine kontinuierliche Evaluation findet methodisch fundiert in regelmäßigen Gesprächen mit allen Zielgruppen statt. Maßnahmen und Aktivitäten können dadurch jederzeit entsprechend angepasst werden. Im Zuge des Modellprojekts wurde ein „Werkzeugkasten“ erarbeitet, der das Engagement für mehr soziale Teilhabe und gegen altersbedingte Isolation auch für andere stationäre Pflegeeinrichtungen nutzbar macht. Die SozialstiftungNRW trug dazu mit einer Fördersumme von insgesamt 700.000 Euro bei.